Die digitale Transformation in Spitälern ist längst keine Frage technischer Machbarkeit mehr, sondern eine Frage der personellen Umsetzung. Insbesondere im Bereich der spezialisierten IT-Rollen – wie Systemarchitektur, Cybersecurity, Schnittstellenmanagement oder klinische Applikationsintegration – zeigt sich ein wachsendes Rekrutierungsdefizit. [1]
Gesundheitsinstitutionen stehen dabei vor einem strukturellen Dilemma: Der Bedarf an hochqualifizierten IT-Fachkräften ist unbestritten, aber die institutionellen Rahmenbedingungen erlauben keine Skaleneffekte. Die Folge sind Überlastung bestehender Teams, langfristige Projektstaus und eine wachsende Abhängigkeit von externen Ressourcen.
Rekrutierungsschwierigkeiten als systemischer Engpass
Die Herausforderungen im IT-Recruiting lassen sich nicht auf Einzelfaktoren reduzieren – sie sind Ausdruck eines strukturellen Missverhältnisses zwischen Qualifikationsbedarf und institutioneller Tragfähigkeit:
- Enger Fachkräftemarkt mit sektorübergreifender Konkurrenz Hochspezialisierte IT-Rollen sind auch ausserhalb des Gesundheitswesens stark gefragt. Industrie, Verwaltung und Finanzsektor bieten oft attraktivere Konditionen und klarere Laufbahnperspektiven.
- Fehlende institutionelle Differenzierungsmerkmale Viele Spitäler verfügen über keine eigene Arbeitgebermarke im IT-Bereich. Fachkräfte nehmen sie primär als medizinische Leistungsträger wahr – nicht als digitale Innovationsräume. Dies erschwert das gezielte Recruiting ausserhalb der medizinischen Berufsgruppen erheblich.
- Limitierte Skaleneffekte in kleinen Organisationseinheiten In kleineren Häusern sind hochspezialisierte Rollen wirtschaftlich oft nicht tragbar. Eine einzige Fachperson trägt dann Verantwortung für komplexe Themenfelder (z. B. Integration, Security, Infrastruktur), die andernorts auf mehrere Positionen verteilt sind – mit hohem Risiko für personelle Abhängigkeiten und Überlastung.
- Unklare Karriere- und Fachlaufbahnen IT-Fachpersonen im Gesundheitswesen finden häufig keine strukturierten Entwicklungspfade oder fachliche Aufstiegsmöglichkeiten. Dies erschwert Retention und fördert Wechsel in technologieaffinere Sektoren.
Lösungsansätze jenseits des klassischen Recruitings
Ein zukunftsfähiges IT-Recruiting erfordert keine Einzelmassnahmen, sondern institutionelle Neuausrichtung:
- Aufbau klinikinformatischer Kompetenzzentren in Spitalverbünden Durch die Bündelung spezialisierter Rollen auf Verbundebene können Skaleneffekte erzielt werden, ohne auf kritische Expertise vor Ort zu verzichten. Insbesondere im Bereich Architektur, Integration oder Datenschutz können Shared Services realistisch umsetzbar sein.
- Interne Fachlaufbahnen mit systematischer Entwicklung IT-Rollen sollten in strukturierte Weiterbildungs- und Karrieremodelle eingebunden werden – analog zur Facharztweiterbildung. Besonders effektiv: Quereinsteiger:innen aus der Pflege oder Medizintechnik mit Zusatzqualifikation im Bereich Gesundheitsinformatik.
- Attraktivitätssteigerung durch Projektmandate statt Verwaltungsaufgaben IT-Fachkräfte suchen häufig Gestaltungsräume, nicht reine Betriebsverantwortung. Die Möglichkeit, an klar umrissenen, versorgungsrelevanten Digitalprojekten mitzuwirken, steigert die institutionelle Anziehungskraft erheblich – besonders bei jüngeren Fachpersonen. Gleichzeitig verringert sich dadurch die Abhängigkeit von externen Ressourcen, welche oft wegen ihrer Flexibilität beauftragt werden.
- Regionale Kooperationsmodelle für Fachkräftesicherung Netzwerke zwischen Spitälern, Fachhochschulen und Digitalunternehmen ermöglichen frühzeitige Bindung über Praxissemester, gemeinsame Labs oder duale Studiengänge – mit institutionellem Branding über den akademischen Nachwuchs.
Fazit
Der Fachkräftemangel im Bereich IT ist im Gesundheitswesen nicht nur ein zahlenmässiges, sondern ein strukturelles Problem. Kleinere Institutionen leiden besonders unter fehlenden Skaleneffekten und unsichtbarer Arbeitgeberidentität im Technologiebereich. Wer Digitalisierung institutionell verankern will, muss auch Fachkräftebindung institutionalisieren – durch neue Rollenkonzepte, geteilte Ressourcenmodelle und partizipative Entwicklungspfade. Digitalisierung beginnt nicht mit Technologie – sondern mit Menschen, die sie gestalten können.