Interdisziplinäre Projektsteuerung: Wie IT, Pflege und Medizin gemeinsam Architektur gestalten

Interdisziplinäre Projektsteuerung: Wie IT, Pflege und Medizin gemeinsam Architektur gestalten

Einordnung in den Kontext digitaler Transformation im Spital
Digitale Architekturprojekte im Gesundheitswesen – sei es die Einführung neuer Plattformmodule, die Anbindung ans EPD oder die Migration klinischer Subsysteme – betreffen weit mehr als nur IT-Infrastruktur. Sie greifen tief in Versorgungslogik, Rollenverantwortung und klinische Prozesse ein. Doch genau hier liegt ein systemischer Zielkonflikt: Während IT-Projekte oft nach technischen Parametern geplant werden, basieren klinische Prozesse auf situativer Praxis, Erfahrungswissen und institutionsspezifischer Logik. Die Lösung liegt nicht in Kompromissen – sondern in interdisziplinärer Steuerung, die Architektur als geteilte Verantwortung versteht.

Warum klassische Projektmodelle an klinischen Realitäten scheitern
In vielen Häusern zeigt sich: Digitalisierungsvorhaben werden von der IT geplant, von der Pflege befragt und von der Ärzteschaft genutzt – aber nicht gemeinsam entworfen. Das führt zu drei typischen Fehlentwicklungen:

  1. Funktionale Systeme ohne Prozessverankerung
    Technisch einwandfreie Module (z. B. für Medikationsmanagement oder Leistungserfassung) fügen sich nicht in den klinischen Ablauf ein, weil die Prozesslogik nicht mitgedacht wurde – etwa bei Rollenfreigaben, Zeiterfassung oder Kontextwechseln.

  2. Verlorenes Erfahrungswissen in der Systemkonzeption
    Die strukturellen Anpassungen orientieren sich an technischen Anforderungen, nicht am gelebten Betrieb – z. B. bei Schichtlogik, Übergaben oder arbeitsplatzbezogenen Formularstrukturen. Was auf dem Whiteboard logisch wirkt, scheitert am Stationsalltag.

  3. Verantwortungslücken durch disziplinäre Segmentierung
    Wenn IT, Pflege und Medizin eigene Projektpfade verfolgen, entstehen Lücken in der Rollenklarheit, Entscheidungsfindung und Governance. Niemand trägt Verantwortung für das Zusammenspiel – nur für das eigene Teilstück.

Merkmale gelingender interdisziplinärer Projektsteuerung
Eine tragfähige Architektur entsteht dort, wo Verantwortung geteilt und Perspektiven integriert werden. Erfolgsfaktoren sind:

  • Gemeinsame Steuerungsgremien mit klaren Rollen: Architekturboards, Change-Advisory-Groups oder Projektsteuerungsausschüsse mit gleichberechtigter Besetzung aus IT, Pflege und Medizin

  • Kontextbasierte Prozessmodellierung mit Fachpersonen: Keine reinen IT-Prozessmodelle, sondern fachlich validierte Szenarien auf Stationsebene, mit realen Dokumentations-, Übergabe- und Entscheidungswegen

  • Governance-orientierte Projektstruktur: Klare Verknüpfung von Architekturentscheidungen mit Verantwortung für Versorgung, Sicherheit und Datenqualität – nicht als Folge, sondern als Teil der Architektur

  • Iterative Prototyping-Logik im Echtbetrieb: Frühe Simulationen, Feldtests und Reflexionsschlaufen mit interdisziplinären Teams – nicht erst zur Abnahme, sondern im Entwurf

Fazit: Architektur ist kein IT-Produkt – sie ist Ergebnis geteilter Verantwortung
Digitale Architektur im Spital lässt sich nicht delegieren – weder an die IT noch an eine Beratungsfirma. Sie muss interdisziplinär gedacht, abgestimmt und verantwortet werden. Denn nur dort, wo Fachlichkeit, Technik und Versorgungsperspektive gemeinsam wirksam werden, entsteht eine IT-Architektur, die trägt – funktional, sicher und anschlussfähig.

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