Die Diskussion rund um Generative KI (GenAI) ist geprägt von technologischer Euphorie und disruptiven Zukunftsvisionen. Doch abseits theoretischer Potenziale stellt sich in Spitälern eine andere Frage: Wo lässt sich GenAI im realen Klinikbetrieb so integrieren, dass sie Prozesse tatsächlich unterstützt, ohne Sicherheitsrisiken oder Überforderung zu erzeugen?
Wesentlich ist dabei die Unterscheidung zwischen konzeptionellen Machbarkeiten und organisatorisch anschlussfähigen Use Cases. Entscheidend sind klinische Relevanz, rechtliche Vertretbarkeit, technische Integrierbarkeit und – nicht zuletzt – das Vertrauen des Fachpersonals. GenAI kann im Spital Wirkung entfalten, wenn sie nicht ersetzt, sondern erweitert.
Anwendungsnahe Einsatzfelder mit realistischem Implementierungspotenzial
- Automatisierte Dokumentenzusammenfassungen aus Freitextquellen Im klinischen Alltag entstehen täglich grosse Mengen unstrukturierter Texte – z. B. Verlaufsnotizen, Entlassberichte, Konsilanfragen. GenAI kann genutzt werden, um strukturierte Zusammenfassungen zu erzeugen, die relevante Informationen extrahieren, standardisiert darstellen und so klinische Übergaben verbessern. Entscheidend ist dabei die kontrollierte Nutzung im geschlossenen System ohne externe Datenübertragung.
- Unterstützung bei der ICD-/DRG-Vorbereitung durch Vorschlagsmechanismen GenAI kann auf Basis bereits dokumentierter Inhalte kodierrelevante Begriffe erkennen und strukturierte Vorschläge für Kodierung, DRG-Zuordnung oder Zusatzentgelte generieren. Der Mensch bleibt in der Validierungsrolle – aber der Vorschlagsprozess wird deutlich beschleunigt.
- Qualitätskontrolle und semantische Prüfung von Medikationsplänen Durch den Abgleich von Freitext und strukturierten Daten (z. B. Verordnung vs. Anamnese) kann GenAI potenzielle Widersprüche, Dopplungen oder fehlende Angaben identifizieren – als Unterstützung für klinische Pharmakologie und Medikationssicherheit.
- Vorbereitung patientenverständlicher Erklärtexte GenAI kann medizinische Inhalte – etwa Diagnosen, Behandlungsoptionen oder Operationsaufklärungen – in laienverständlicher Sprache vorformulieren. Diese Texte müssen validiert werden, können aber die Verständnissicherung und Patientenautonomie verbessern.
- Protokollentwürfe für interdisziplinäre Boards In Tumorboards, Ethikkommissionen oder Qualitätszirkeln entstehen häufig wiederkehrende Dokumentationsanforderungen. GenAI kann auf Basis vorhandener Daten strukturierte Protokollentwürfe erzeugen – inklusive Formulierungen zu Indikation, Befundlage und Entscheidungsgrundlagen.
Grenzen und Steuerungsnotwendigkeit
Trotz hohem Nutzenpotenzial gilt: GenAI ist kein autonomes System, sondern ein Werkzeug mit klar zu definierendem Einsatzrahmen. Klinische Use Cases müssen begleitet werden durch:
- Klare Rollenverteilung zwischen Mensch und Maschine Entscheidungen bleiben ärztlich-pflegerische Verantwortung – GenAI kann vorbereiten, strukturieren, entlasten, aber nicht entscheiden.
- Datenschutzkonforme Systemgrenzen Anwendungen sicher gehostet, transparent dokumentiert und vollständig unter institutioneller Kontrolle betrieben werden – ohne ungesicherte Cloud-Anbindung.
- Partizipative Einführung mit Fachpersonen Die Akzeptanz steigt, wenn GenAI nicht „eingeführt“, sondern gemeinsam mit klinischen Nutzergruppen entwickelt und iterativ angepasst wird.
Fazit
Generative KI ist kein Allheilmittel – aber ein funktionaler Baustein für die Weiterentwicklung digitaler Versorgungsprozesse. Ihre Stärke liegt nicht in der Automatisierung komplexer Urteile, sondern in der strukturellen Entlastung repetitiver, textbasierter Aufgaben mit hohem Interpretationsaufwand. Der Schlüssel zur erfolgreichen Nutzung liegt in verantwortungsvoller Integration: lokal, nachvollziehbar und klinisch legitimiert.