Digitale Transformation im Schweizer Gesundheitswesen: Herausforderungen und Chancen

Digitale Transformation im Schweizer Gesundheitswesen: Herausforderungen und Chancen

Das Schweizer Gesundheitswesen steht an einem Wendepunkt. Während andere Branchen längst die Vorteile digitaler Prozesse nutzen, kämpfen Spitäler, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen mit veralteten Strukturen, hohen regulatorischen Hürden und komplexen IT-Landschaften. Digitale Lösungen versprechen eine effizientere und sicherere Patientenversorgung, doch sie bringen auch neue Herausforderungen mit sich. Datenschutz, Interoperabilität, Finanzierung, Benutzerakzeptanz und Cybersicherheit sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen den Erfolg oder Misserfolg von IT-Projekten. Doch wie lassen sich diese Hürden überwinden, um die digitale Zukunft des Gesundheitswesens aktiv zu gestalten?

Eine der grössten Herausforderungen liegt im Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten. Datenschutzgesetze wie das revidierte Datenschutzgesetz (DSG) schreiben strenge Vorgaben für den Umgang mit Patientendaten vor. Gesundheitsfachkräfte sollen einerseits schnell auf relevante Informationen zugreifen können, andererseits müssen diese Daten vor unbefugtem Zugriff geschützt werden. Gleichzeitig wächst die Skepsis in der Bevölkerung: Wie kann sichergestellt werden, dass persönliche Gesundheitsinformationen nicht missbraucht werden? Diese Unsicherheiten hemmen die Einführung neuer Technologien, die eigentlich den Alltag von Ärzten und Pflegepersonal erleichtern sollen [1].

Das elektronische Patientendossier (EPD) ist ein Beispiel dafür, wie mangelnde Interoperabilität und unzureichende Benutzerfreundlichkeit digitale Projekte ausbremsen können. Ursprünglich als Lösung für den sektorenübergreifenden Austausch von Gesundheitsdaten gedacht, kämpfen Spitäler und Arztpraxen mit der Integration des EPD in bestehende Systeme. Solange doppelte Datenhaltung und aufwändige administrative Prozesse nötig sind, bleibt der Nutzen für medizinisches Personal gering – und damit auch die Akzeptanz. Doch ohne nahtlose Interoperabilität und einheitliche Standards wie HL7 FHIR oder SNOMED CT wird es schwierig, digitale Lösungen flächendeckend zu etablieren [2].

Finanzielle Hürden verstärken diese Probleme. Die Implementierung neuer IT-Systeme ist teuer, und gerade kleinere Leistungserbringer haben oft nicht die Mittel, um umfassende digitale Infrastrukturen aufzubauen. Ohne nachhaltige Finanzierungsmodelle kann die digitale Transformation ins Stocken geraten. Öffentliche Förderprogramme und gemeinsame IT-Beschaffungen könnten helfen, Kosten zu senken und digitale Innovationen breiter zugänglich zu machen. Doch Investitionen allein genügen nicht – digitale Lösungen müssen so konzipiert sein, dass sie nicht als zusätzliche Belastung empfunden werden, sondern einen echten Mehrwert bieten [3].

Benutzerfreundlichkeit ist daher ein entscheidender Faktor. Komplexe und schwer verständliche IT-Systeme werden von Fachkräften oft als Hindernis statt als Unterstützung wahrgenommen. Das EPD zeigt, dass komplizierte Registrierungsprozesse und mangelnde Integration in bestehende Abläufe die Nutzung massiv hemmen können. Entscheidend ist, dass IT-Lösungen nicht nur technisch ausgereift sind, sondern sich nahtlos in den klinischen Alltag einfügen. Schulungen und Change-Management-Strategien können helfen, die Akzeptanz zu steigern und Unsicherheiten abzubauen [4].

Währenddessen wächst mit der zunehmenden Digitalisierung auch die Bedrohung durch Cyberangriffe. Spitäler, Arztpraxen und Labore sind beliebte Ziele für Hacker, die mit Ransomware Angriffe auf kritische Infrastrukturen verüben. Ein Cyberangriff kann nicht nur hohe finanzielle Schäden verursachen, sondern im schlimmsten Fall die Patientenversorgung gefährden. Cybersicherheit muss daher integraler Bestandteil jeder digitalen Strategie sein – mit Massnahmen wie regelmässigen Backups, mehrstufigen Authentifizierungsverfahren und gezielten Schulungen für Mitarbeitende. Sicherheit darf nicht als Zusatzaufgabe betrachtet werden, sondern muss von Anfang an mitgedacht werden [5].

Die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens erfordert also ein ganzheitliches Vorgehen. Datenschutz, Interoperabilität, Finanzierung, Benutzerakzeptanz und Cybersicherheit sind keine isolierten Herausforderungen, sondern bedingen einander. Erfolgreiche IT-Projekte setzen auf nachhaltige Finanzierungsmodelle, klare Standards und enge Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren – von der Regierung über Spitäler bis hin zu Softwareanbietern. Nur wenn diese Aspekte berücksichtigt werden, kann das Schweizer Gesundheitswesen die Chancen der Digitalisierung nutzen und ein effizienteres, sichereres und patientenfreundlicheres System schaffen [6].

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein. Es braucht Mut, Innovationen voranzutreiben und neue Wege zu gehen, aber auch eine realistische Einschätzung der Herausforderungen. Führungskräfte im Gesundheitswesen, insbesondere CIOs, müssen als Vermittler zwischen Technologie, Medizin und Management agieren und sicherstellen, dass die Digitalisierung nicht nur eine Vision bleibt, sondern in der Praxis spürbare Verbesserungen bringt. Die Zeit zum Handeln ist jetzt – denn nur wer die Digitalisierung strategisch angeht, wird langfristig von ihren Vorteilen profitieren.

Quellenverzeichnis

[1] Schweizer Datenschutzgesetz (DSG), Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB), 2023.
[2] eHealth Suisse, Interoperabilitätsrichtlinien für das EPD, 2022.
[3] Bundesamt für Gesundheit (BAG), Bericht zur Finanzierung digitaler Gesundheitslösungen, 2021.
[4] Umfrage zur Benutzerakzeptanz des EPD, Universität St. Gallen, 2023.
[5] Nationale Cyber-Sicherheitsstrategie (NCSS), Schweiz, 2023.
[6] Digitalstrategie des Bundesrats für das Gesundheitswesen, 2024.

 

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