Datenstandardisierung als Voraussetzung semantischer Interoperabilität

Datenstandardisierung als Voraussetzung semantischer Interoperabilität

Die Interoperabilität von Gesundheitssystemen beruht nicht nur auf der Fähigkeit, Daten zwischen verschiedenen Anwendungen zu übertragen. Entscheidend ist die Sicherstellung, dass die empfangenden Systeme den Inhalt korrekt interpretieren und verarbeiten können – unabhängig von der Herkunft der Information. Dieses Prinzip semantischer Interoperabilität setzt ein hohes Mass an Datenstandardisierung voraus.

Ohne einheitliche Datenformate, kodierte Informationsmodelle und konsistente Verwendung klinischer Terminologien bleibt jeder Integrationsversuch auf syntaktischer Ebene stehen. Der Austausch funktioniert dann technisch, aber nicht funktional. Die Folge sind Informationsverluste, Interpretationsfehler und ein struktureller Mehraufwand bei der Nachverarbeitung.

Status quo: Heterogenität trotz Standardnutzung

In der Schweiz kommen etablierte Standards wie HL7 v2, HL7 CDA oder zunehmend HL7 FHIR zum Einsatz. Dennoch bleiben Interoperabilitätsprobleme bestehen. Grund dafür ist weniger die Abwesenheit von Standards als deren inkonsistente Anwendung.

Häufige Fehlerquellen:

  • Uneinheitliche Implementierung von FHIR-Profilen, etwa bei Medikamenten oder Laborwerten
  • Inkonsistente Nutzung von Code-Systemen, z. B. Mischung von ATC, hausinternen Katalogen und Freitextbeschreibungen
  • Fehlende semantische Abbildung komplexer klinischer Konzepte, etwa bei Pflegeverläufen, Diagnostikpfaden oder multimodaler Therapieplanung

Solche Inkonsistenzen erzeugen systemische Missverständnisse. Daten, die technisch korrekt übertragen wurden, können funktional bedeutungslos oder gar irreführend sein.

Governance-basierte Standardisierung als institutionelle Aufgabe

Effektive Standardisierung erfordert institutionelle Strukturen, die nicht nur technische Spezifikationen definieren, sondern auch deren konsistente Umsetzung sichern. Dies geschieht idealerweise durch:

  • Nationale Profilierungsinitiativen (z. B. CH:FHIR oder IHE Suisse) mit verbindlichen Implementierungsleitfäden
  • Pflege institutionseigener Informationsmodelle, harmonisiert mit internationalen Referenzmodellen (z. B. openEHR, ISO 13606)
  • Einführung interner Validierungsprozesse, die neue Systemkomponenten auf Standardkonformität prüfen, bevor sie produktiv geschaltet werden

Darüber hinaus ist die Schulung technischer, medizinischer und administrativer Mitarbeitender zentral. Standardisierung ist nicht allein ein IT-Thema, sondern betrifft die gesamte institutionelle Datenverarbeitung.

Langfristiger Nutzen standardisierter Datenmodelle

Eine konsequente Standardisierung erhöht nicht nur die technische Anschlussfähigkeit. Sie verbessert auch die sekundäre Nutzbarkeit klinischer Daten – etwa für Versorgungsforschung, Outcome-Messung oder KI-basierte Entscheidungssysteme. Standardisierte Daten sind maschinenlesbar, strukturell vergleichbar und langfristig interoperabel – auch bei Systemwechsel, Fusion oder sektorübergreifender Versorgung.

Fazit

Datenstandardisierung ist kein Formalismus, sondern ein strukturelles Steuerungsinstrument. Sie schafft die Grundlage für semantisch belastbaren Informationsaustausch, reduziert Interpretationsaufwand und erhöht die Qualität digitaler Kommunikation im Gesundheitswesen. Nur durch konsequente Standardnutzung entstehen interoperable Systeme mit realem Versorgungswert.

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